Im Spätherbst 2023 fand zum vierten Mal die „Annual Asset Manager Conference“ des KENFO statt. Im Zentrum der Konferenz standen die geopolitischen Krisen und ihre Folgen für die Finanzmärkte und Handelbeziehungen sowie der Transformationsprozess hin zur Klimaneutralität.
Dr. Ndidi Nnoli-Edozien gab zum Start einen Überblick über die in diesem Sommer neu eingeführten investorenorientierten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ISSB Standards). Sie ist Vorstandsmitglied des International Sustainability Standards Board der IFRS Foundation, wo sie an der Entwicklung und Anwendung der ISSB Standards mitarbeitet. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Förderung und Umsetzung von Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung im privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Sektor in Afrika und darüber hinaus.
Ndidi Nnoli-Edozien geht zunächst auf die Motivation und die Ziele der neuen ISSB Standards ein:
Der Bedarf internationaler Investoren mit globalen Anlageportfolios nach qualitativ hochwertiger, transparenter, zuverlässiger und vergleichbarer Berichterstattung von Unternehmen zu Klima- und anderen Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) habe deutlich zugenommen. Aus diesem Grund haben internationale politische Entscheidungsträger wie die G7, G20 und der Rat für Finanzstabilität die Erarbeitung einer globalen „Baseline“ für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Kapitalmärkte eingefordert, um das Nebeneinander von freiwilligen Initiativen zu beenden und vergleichbare Informationen zu erhalten.
Ziel der ISSB-Standards sei es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Nachhaltigkeits-informationen auf solide, vergleichbare und überprüfbare Weise zu veröffentlichen. Die ersten beiden Standards, die im Juli 2023 veröffentlicht wurden, sind IFRS S1 und IFRS S2: IFRS S1 enthalte eine Reihe von Vorgaben für die Berichterstattung, die es Unternehmen ermöglichen solle, Investoren über nachhaltigkeitsbezogene Risiken und Chancen zu informieren, mit denen sie kurz-, mittel- und langfristig rechnen. IFRS S2 lege darüber hinaus spezifische Anforderungen für die klimabezogene Berichterstattung fest und sei so konzipiert, dass er zusammen mit IFRS S1 angewandt werde. Beide Standards enthalten die Empfehlungen der Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD).
Die ISSB-Standards sollen gewährleisten, dass Unternehmen neben ihren Finanzberichten auch gleichzeitig nachhaltigkeitsbezogene Informationen bereitstellen. Die Standards sind für die Verwendung in Verbindung mit beliebigen Rechnungslegungsvorschriften entwickelt worden. Sie basieren auf wesentlichen Grundsätzen der IFRS-Rechnungslegungsstandards, die in mehr als 140 Ländern Vorschrift sind. Die Standards eigneten sich für die weltweite Verwendung und schaffen damit eine echte „globale Baseline“. Diese Qualifikation wurde durch die Anerkennung von IOSCO, der International Organisation of Securities Commissions, im Juli dieses Jahres weiter bekräftigt.
Joachim Fels, der als Chief Economist von Morgan Stanley und zuletzt bei PIMCO mehr als 30 Jahre lang die globale makroökonomische Lage analysiert hat, sieht die Gesellschaft in einer fundamentalen Zeitenwende. Dies habe spürbare Folgen auch für die Finanzmärkte.
Mehrere Treiber seien dafür verantwortlich: Geopolitische Verwerfungen wie der inzwischen schon einige Jahre währende kalte Krieg zwischen den USA und China, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der jüngst neu ausgebrochene Nahost-Konflikt nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Der voranschreitende Klimawandel. Aber auch Faktoren wie veränderte Präferenzen der Menschen bezüglich Arbeit und Freizeit.
Daraus ergäben sich unterschiedliche Konsequenzen, die Joachim Fels in drei Thesen zusammenfasst:
1. Auf die Ära der Sparschwemme folge die Rückkehr der Kapitalknappheit
In den letzten zehn bis zwanzig Jahren habe es aus verschiedenen Gründen ein großes Kapitalangebot gegeben, das jetzt durch eine neue Kapitalknappheit abgelöst werde: Die zahlenmäßig große Generation der Babyboomer habe zusätzlich für ihr Alter gespart. Diese werden in den nächsten zehn Jahren nun in Rente gehen und ihre aufgebauten Vermögen „entsparen“ (Demographie). Nach der Finanzmarktkrise und während der Pandemie haben Notenbanken weltweit die Regierungen durch eine Politik des billigen Geldes (Quantitative Easing) unterstützt. Infolge des Inflationsanstiegs seien die Notenbanken gefordert, sich wieder um ihre Kernaufgabe - die Geldwertstabilität – zu kümmern. Der Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Wirtschaft (Decarbonisation) löse einen hohen Investitionsbedarf im öffentlichen und im privaten Sektor aus. Und auch die Deglobalisierung infolge der deutlich gestiegenen geopolitischen Risiken sei teuer: So sei z.B. der Aufbau resilienter Lieferketten sehr kapitalintensiv. Die nun entstehende Kapitalknappheit führe nun zu einem wieder positiven Realzins.
2. Rückkehr der Inflation
Die Inflationsrate sei infolge der genannten 3D– Demographie, Decarbonisierung, Deglobalisierung – deutlich höher als vor der Pandemie und dem Russland-Ukraine-Krieg und läge weit über dem früheren Ziel der Notenbanken. Arbeit werde knapper und demzufolge teurer. Gewerkschaften würden es in den kommenden Jahren leichter haben, ihre Gehaltsforderungen durchzusetzen. Der Transformationsprozess zu mehr nachhaltigen Energieträgern werde im Zweifel länger dauern als gedacht – mit höheren Energiepreisen in einer längeren Übergangszeit. Derisking und Friend-shoring wiederum bedeute, dass die Verlagerung der Vor- und Zwischenproduktion in Länder mit vergleichbaren Werten und Standards zu steigenden Preisen führe. Entlastende Effekte durch KI und Robotisierung sieht Fels nur begrenzt.
3. Revival der höheren Nominalzinsen
Infolge der hohen Inflation haben die Notenbanken die Zinsen deutlich angehoben. Um die Wirtschaft nicht abzuwürgen und hohe Arbeitslosigkeit zu vermeiden, würden die meisten Notenbanken voraussichtlich eine höhere Inflationsrate als vor der Pandemie akzeptieren. Für die Kapitalmärkte und die Asset Allocation haben die höheren Real- und Nominalzinsen mehrere Implikationen:
- Ein höherer Cash-Anteil im Portfolio sei sinnvoll, um gute Einstiegsmöglichkeiten infolge der steigenden Marktvolatilität nutzen zu können.
- Vorsicht sei geboten vor Produkten mit viel Leverage: Liquiden und gelisteten Anlageklassen sei der Vorzug vor illiquiden Assets zu geben.
- Eine globale Diversifizierung mache nach Jahren eines oft ähnlichen Risikoverlaufs zwischen Ländern wieder mehr Sinn: aufgrund des geopolitischen Umfelds seien Risiken global diverser verteilt.
Josef Lakonishok, founding partner, CEO and CIO of LSV Asset Management, classifies the current situation on the financial markets with a view to past market phases and outlines starting points for investments.
LSV Asset Management, which was founded in 1994 by Josef Lakonishok, Andrei Shleifer and Robert Vishny, specializes in value equity management for institutional investors around the world. The founders are well known for their academic work in the field of behavioral finance.
A central approach and basic philosophy of LSV Asset Management is to systematically exploit behavioral biases that influence the decisions of many investors for their own investment model.
Lakonishok begins by outlining the current situation on the stock markets: Currently, the markets are very much focused on a small number of companies that dominate the share indices, particularly in the US, and whose extremely high valuations reflect the high growth expectations for these companies. As an example, 32% of the market value of the top 500 US companies is concentrated in the ten largest companies.
Valuations were similarly high in the early 2000s during the dotcom bubble, when the future growth rates of certain technology companies were significantly overestimated. History has shown that these high growth rates are not sustainable and weaken after some time. The current picture raises the question of whether a similar irrational exaggeration is present in the equity markets today.
The current market constellation is also unusual in the sense that there is a very large discrepancy between expensively valued and cheaply valued companies: Compared to their relevant historic means, cheap companies are particularly cheap and expensive companies particularly expensive.
Lakonishok believes that this large discrepancy is also due to the strong shift by investors from actively managed funds to passive products in recent decades. The high inflow of funds into products that track market value-weighted indices is likely to have reinforced this trend. In any case, it is expensive to rely on passive management at the moment, as this often means buying into the most highly valued companies.
In contrast, the current market situation offers the opportunity to identify plenty of attractively priced companies. It is worth being patient until valuations normalize. One has to hold on to value stocks in order to benefit from the long-term performance potential of the strategy - especially when it is emotionally uncomfortable.
Lakonishok summarizes his experience in the following recommendations:
1.) Don’t overestimate your ability to predict growth.
2.) Don’t ignore valuations.
3.) Being contrarian is a difficult but proven strategy.
4.) Investments require patience.
Larry Fink, Co-Founder, Chairman and CEO of BlackRock spoke at the KENFO 2023 Annual Asset Manager Conference on November 9th about the impacts of trends and transitions on financial markets. While national security concerns over trade, energy supplies and capital flows received renewed focus in most countries, the impact of globalization and populism has taken different forms and prompted investors to rethink their long-term strategies.
Megatrends:
Larry Fink sees a prolonged period of higher inflation. Government debt has reached a worrying level in many countries. There is a risk of a crowding-out combined with a decline in private investment activity and persistent inflation rates in the long term.
Larry Fink notes that the sanctions on Russia have triggered a push towards decarbonization in countries that are heavily dependent on oil and gas imports, such as Germany, Japan, China and India. This has increased awareness of the need to expand wind and solar energy and develop affordable hydrogen. However, fossil fuels such as gas and coal will continue to play an important role for longer. The latest wave of decarbonization was not launched in the name of climate protection, but in the name of national security. Development banks are not in a position to cover the enormous financing requirements of the emerging countries for decarbonization. This is where investors are needed. To that end, on behalf of its clients BlackRock - in cooperation with the German, French, and Japanese governments - has initiated major decarbonization projects, such as investments in solar fields in Kenya.
Larry Fink sees artificial intelligence as a significant megatrend; it will change the economy and offers real opportunities for investors. Artificial intelligence differs from other new technologies in that it is not start-ups but corporate giants that are driving this technological development, as it requires billions in investment. Large cloud operators will benefit. AI’s impact will vary globally. Economic development in Europe, for example, will suffer from lacking a major AI player.
Artificial intelligence will also significantly change asset management. Investment decisions will increasingly be made based on big data analysis. BlackRock is developing new analysis tools for this - with the support of Stanford University.
Larry Fink is convinced that the advance of ETFs will continue, as ETFs deliver all kinds of investment strategies to investors in a more accessible and more affordable way.
Another megatrend is that many countries have recognized the need to make their pension systems more resilient, for example by introducing more pre-funded elements to their pension scheme.
Global Economy:
Larry Fink rules out a U.S. recession in 2024, estimating 2025 at the earliest. He believes the US economy is strong, resilient, and robust. As most real estate financing is in the form of 30-year mortgages, the sharp rise in interest rates will have no short-term impact. In addition, the Inflation Reduction Act and the CHIPS Act under President Biden have created many jobs.
The emerging markets generally remain attractive for investors. Japan has the best economic situation it has had in the last 30 years. India is developing well, and Mexico’s economy is also growing quickly.
By contrast, there is a greater likelihood of a recession in Europe in 2024, not least because the European economy is much more dependent on China.
Timothy Geithner, former U.S. Treasury Secretary in the Obama administration and current Chairman of private equity firm Warburg Pincus, spoke at the KENFO 2023 Annual Asset Manager Conference on November 11th.
Mr. Geithner began by sharing his insights from the global financial crisis, in which he played a central role devising the policy response to stabilize the U.S. economy. The ensuing discussion largely focused on the economic and strategic positions of China and the U.S. Mr. Geithner discussed the evolving growth paradigm in China, as well as the continued potential for attractive investment returns. Warburg Pincus has focused its investments in China across a variety of sectors, including healthcare, financial services and logistics, areas with strong fundamentals and growth potential. Mr. Geithner also commented on the entrepreneurial talent and technological innovation potential in China before discussing the varying components and dynamics of the U.S. / China relationship.
Mr. Geithner also mentioned that Warburg Pincus sees robust growth potential in India and other Southeast Asian countries such as Indonesia, Vietnam and the Philippines. Mr. Geithner touched on the tailwinds for growth in these markets, including shifting supply chains, stable macroeconomic policies, favourable demographics and technological innovation.
Mr. Geithner concluded by discussing the outlook for the U.S. economy, including the current interest rate cycle, long term fiscal trajectory and the potentially disruptive impact of advances in artificial intelligence.
Der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz und frühere außen- und sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzlerin Merkel sowie Ständige Vertreter der Bundesrepublik bei den UN, Botschafter Dr. Christoph Heusgen, vertrat in seinem Vortrag die folgenden Thesen:
1) Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen – auch militärisch;
2) viele Gewissheiten gelten nicht mehr.
Er äußerte die Überzeugung, dass die USA nach dem Ende der Präsidentschaft des überzeugten Transatlantikers Biden seine militärische Unterstützung für Europa deutlich reduzieren werde – unabhängig von der jeweiligen Parteizugehörigkeit. Grund sei zum einen, dass die USA sich wegen ihrer Rivalität mit China auf Asien konzentrieren werden und zum anderen, dass die USA nicht länger bereit seien, die Militärausgaben Europas mitzufinanzieren. Deutschland sei daher gut beraten, seine bereits beim NATO-Gipfel in Wales 2014 erklärte Verpflichtung, ab 2024 2% seines BIP für die Bundeswehr auszugeben, dauerhaft einzuhalten – auch nachdem das 100 Mrd. Euro-Sondervermögen ausgeschöpft ist. Hierzu müssten ab 2027 25 Mrd. Euro zusätzlich in den Verteidigungshaushalt eingestellt werden. Zum Vergleich verwies Botschafter Heusgen darauf, dass die USA 3,5 – 4% ihres BIP für das Militär aufwenden.
Den deutschen Unternehmen empfahl er, ihre starke Abhängigkeit von China zu verringern („derisking statt decoupling“). Im Rahmen der erforderlichen Diversifikation sei es sinnvoll, dass die deutsche Wirtschaft stärkeres Interesse auch an kleineren Märkten in Asien, Afrika und Lateinamerika zeige und bereit sei, größere Risiken als bisher einzugehen. Christoph Heusgen verwies darauf, dass Afrika um das Jahr 2100 einen Anteil von 25% an der Weltbevölkerung haben werde, während der Anteil Europas auf 5% zurückgehen werde. Botschafter Heusgen plädierte dafür, Entwicklungspolitik, Außenpolitik und private Investitionen in diesen Regionen stärker zu bündeln, um sie nicht China mit seiner Seidenstraßeninitiative zu überlassen. Bei der Bündelung der Mittel könnte die KfW eine wichtige Rolle spielen.
Zu China vertrat Heusgen die Einschätzung, dass es langfristig das Ziel habe, sich Taiwan einzuverleiben und nur auf eine Gelegenheit warte. Das Thema sei ernst würde aber z. Zt. etwas überzeichnet, da Staatspräsident Xi der Volkbefreiungsarmee den Auftrag gegeben habe, ab 2027 für eine militärische „Lösung“ bereit zu sein. Derzeit habe China weder die militärischen Mittel für eine solche Operation sowiea uch zu große wirtschaftliche Probleme, als dass es sich eine offene Konfrontation mit den USA und Wirtschaftssanktionen des Westens erlauben könnte. Jedoch sei damit zu rechnen, dass die chinesische Staatsführung – wie andere autoritäre Regierungen auch – bei inneren Problemen den Nationalismus anstachele.
Wladimir Putin habe, Heusgen zufolge, bereits jetzt sein mit dem Angriff auf die Ukraine verfolgtes Ziel verfehlt, Russlands einstige Größe auf der Weltbühne wiederherzustellen. Statt einer gleichberechtigten Weltmacht sei Russland lediglich Juniorpartner Chinas, von dem es stark abhängig sei. Wie Senator McCaine einmal sagte: „Russland ist die Tankstelle Chinas“.
Russland gehe es derzeit wirtschaftlich schlecht, da die vom Westen verhängten Sanktionen trotz einiger Verstöße insgesamt ihre Wirkung täten. Trotzdem habe Putin Russland im Griff, nachdem er systematisch die (sozialen) Medien, die Opposition und die Zivilgesellschaft ausgeschaltet habe. Botschafter Heusgen zeigte sich überzeugt, dass Putin zu Beginn seiner Regierungszeit angestrebt habe, über eine starke Wirtschaft eine Anerkennung Russlands auf der Weltbühne zu erlangen. Doch habe er erkennen müssen, dass hierfür Rohstoffe allein nicht ausreichen. Seit 2011/2012 setze Putin stattdessen auf Nationalismus. China habe ein Interesse an der Aufrechterhaltung des status quo in Russland. Seine Freundschaftsbekundungen gegenüber Russland seien mehr als Lippenbekenntnisse. China unterstütze Putins Krieg gegen die Ukraine, weil es verhindern wolle, dass Putin stürze und in Russland Chaos ausbreche oder es sich demokratisiere.
Zum Nahostkonflikt vertrat Botschafter Heusgen die Auffassung, dass die eigentlich sinnvolle Zwei-Staaten-Lösung heute praktisch nicht mehr umsetzbar sei, nachdem sich 700.000 israelische Siedler im Westjordanland angesiedelt haben. Der Rechtsruck der israelischen Politik und die starke Stellung der Siedler erschwere eine konstruktive Lösung. Zugleich hätten 6 Mio. Palästinenser keine Zukunftsperspektive, was den Nährboden für Terrorismus bilde. Diese Lage könne einen nur depressiv stimmen.