Ein Finanzsystem schaffen, das bei jeder Entscheidung den Klimawandel berücksichtigt.
Was müssen wir auf der COP26 erreichen? Welche gemeinsamen internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sind realistisch?
Den ersten Vortrag und Keynote hielt Mark Carney, UN-Sondergesandter für Klimaschutz und Finanzen und ehemaliger Gouverneur der Bank of England und der Bank of Canada. Mark Carney ist auch der Finanzberater des Premierministers für die COP26, die unmittelbar nach der KENFO-„Annual Asset Manager Conference“ vom 31. Oktober bis 12. November 2021 in Glasgow stattgefunden hat.
Der UN-Sonderbeauftragte beschrieb seine Sicht auf die aktuelle Situation als „halbvolles Glas“: Positiv sind die Veränderungen, die im Finanzsektor stattfinden, ebenso dass die Logik des Pariser Abkommens auf Ebene der Nationalstaaten ankomme. Die Verpflichtungen müssen jedoch durch eine ehrgeizige und glaubwürdige Klimapolitik untermauert werden, denn je glaubwürdiger und vorhersehbarer die Politik ist, desto mehr wird der Finanzsektor in Erwartung dieser Politik Geld in die Hand nehmen und so einen positiven Kreislauf aus groß angelegten Investitionen, schnellerer Dekarbonisierung, mehr Arbeitsplätzen und schnellerem Wachstum in Gang setzen. Seine zentrale und einfache Botschaft an die Regierungen lautet, dass das Geld für ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung steht und der Finanzsektor umgestaltet wird. Die Net-Zero-Prinzipien werden zu einem Prämisse, die bis auf die Unternehmensebene durchdringt und nun auch den Finanzsektor erreicht, um ein Finanzsystem zu schaffen, das bei jeder Entscheidung den Klimawandel berücksichtigt. Um die Veröffentlichung globaler klimarelevanter Daten verbindlich zu machen wurde in Glasgow offiziell die Einsetzung des neuen International Sustainability Standards Board (ISSB) offiziell bekanntgegeben, der seinen Sitz in Frankfurt am Main und ein weiteres Büro in Montreal haben wird. Das ISSB beabsichtigt, bis Mitte nächsten Jahres einen Standard für die Offenlegung von Klimadaten auf der Grundlage der bestehenden Standards des TCFD zu erstellen.
Mark Carney erläuterte, dass die COP auch das Klimarisikomanagement in den Mittelpunkt des Finanzwesens rücken werde: Mit Hilfe des Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS), dem heute über 90 Behörden angehören, werden 85 % der weltweiten Emissionen und alle global systemrelevanten Finanzinstitute abgedeckt. Hinsichtlich einer realistischen Schätzung der Kosten der Energiewende im Laufe der nächsten drei Jahrzehnte geht er von einen Betrag von rund 100 Billionen Dollar aus [Anm.: nun 130 Billionen Dollar wie auf der COP angekündigt]. In Bezug auf den enormen Finanzierungsbedarf für die Energiewende verwies er auf die "Glasgow Financial Alliance for Net Zero" (GFANZ), in der sich Vermögensbesitzer, Vermögensverwalter, Banken, Versicherungen und das gesamte Finanzspektrum mit über 450 großen Finanzinstituten aus 45 Ländern aller Kontinente zusammengeschlossen haben mit einer kumulierten Bilanzsumme von über 100 Billionen Dollar. Das entspräche auch einer vernünftigen Schätzung dessen, was die Energiewende im Laufe der nächsten Jahrzehnte weltweit kosten wird.
Für die Zeit nach der COP26 möchte Carney, das Kapitalangebot in den entwickelten Volkswirtschaften mit der Kapitalnachfrage in den Schwellen- und Entwicklungsländern zusammenbringen. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts zusätzliche eine Billion Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung benötigen werden. Carney forderte, dass Milliarden an öffentlichem Kapital in Billionen an privatem Kapital umgewandelt werden müssen. Bisher haben die sogenannte Blended-Finance-Vehikel nur Bruchteile der eingesetzten Dollars mobilisiert, statt ein Vielfaches davon. Daher plädiert er für einen neuen Ansatz und die Prüfung von Länderplattformen zur Bereitstellung der benötigten Finanzmittel unter Verwendung von Blended-Finance-Strukturen mit hoher Multiplikation und First-Loss-Elementen. Denn der private Finanzsektor sei auf der Suche nach Vermögenswerten, die auf die Pariser Ziele ausgerichtetet sind und kann somit einen wichtigen Beitrag zur Transformation leisten.